niederländische Kunst

niederländische Kunst
niederländische Kunst,
 
die Kunst im Bereich der Niederlande und des heutigen Belgien bis 1830 (ab 1830 belgische Kunst). Die Kunst im Bereich des heutigen Belgien von etwa 1600 bis 1800, also die Kunst der südlichen Niederlande, wird auch als flämische Kunst abgegrenzt. Dieser Begriff entstand durch die italienische Bezeichnung »fiamminghi« für alle Künstler aus dem Bereich der spanisch gebliebenen, dann Österreichischen Niederlande, ohne Rücksicht auf die (französische oder niederländische) Muttersprache der Künstler; als stilistischer Begriff beschränkt er sich nicht allzu eng auf aus diesem Gebiet gebürtige Künstler. Die Stilbezeichnung »flämische Schule« gilt oft auch bis etwa 1900.
 
 
Gemäß der politischen Zugehörigkeit übten sowohl das Heilige Römische Reich als auch Frankreich (Flandern) Einfluss auf die Kunst des niederländischen Raumes aus.
 
Von karolingischer Baukunst ist wenig erhalten. Nach dem Vorbild der Aachener Pfalzkapelle entstanden in Lüttich Saint-Jean (um 980) und in der Karolingerpfalz Nimwegen die Nikolauskapelle (um 1030). Die unter Bischof Bernulf von Utrecht (1027-54) errichteten romanische Kirchen wie Sankt Lebuinus in Deventer (nach 1046, nur Reste erhalten) und Sint-Pieter in Utrecht (1048 geweiht) sind stark eigenständige Bauten. Rheinische Einflüsse zeigen u. a. Onze-Lieve-Vrouwekerk in Maastricht (v. a. 12. Jahrhundert), die Abteikirche Rolduc in Kerkrade (12. Jahrhundert) und Onze-Lieve-Vrouwekerk (Munsterkerk) in Roermond (1224 geweiht), normannische die Kathedrale von Tournai (um 1130 ff.).
 
Die romanische Plastik umfasst v. a. bedeutende Bauskulptur (u. a. Kapitelle in der Onze-Lieve-Vrouwekerk in Maastricht). Zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstand ein landschaftlich gebundener Stil der Goldschmiedekunst von hohem Rang: die Maasschule (Reiner von Huy, Godefroid de Huy und Nikolaus von Verdun). Ihr stilistisch verwandt sind die steinerne »Madonna des Dom Rupert« (um 1180; Lüttich, Musée Curtius) sowie in der Buchmalerei die Miniaturen der Bibel von Stavelot (1097; London, Britisches Museum) und der Bibel von Floreffe (um 1160; ebenda).
 
 
Entscheidend für die Baukunst war der französische Einfluss, besonders an den Kathedralbauten: Kathedrale Saint-Michel in Brüssel (ehemalig Sainte-Gudule, 1226 ff.), Kathedrale in Tournai (Chor 1242-55), in Utrecht (Chor 1254 ff.), in Brügge (1223 ff.). In Brabanter Art (mit Sandstein verkleideter Backstein) wurde z. B. die Grote Kerk in Alkmaar (Neubau 1470 ff.) errichtet. Neben dem basilikalen Kathedraltyp setzte sich die Hallenkirche durch, meist ohne steinernes Gewölbe, mit Flachdecke oder Holzgewölbe (Grote Kerk in Den Haag, 14./15. Jahrhundert). Häufig wurden Triforium- und Fensterzone zusammengezogen (u. a. Kathedrale in Antwerpen 1352 ff.). Die breite, gitterartige Zone über der Obergadenwand (nach englischem Vorbild) wie in der Kathedrale in Mecheln (13.-15. Jahrhundert) wurde typisch für den niederländischen Kirchenbau, für den ferner Schlichtheit, Breite und Helligkeit charakteristisch sind.
 
Der Profanbau kam früh zu großer Bedeutung durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Städte, deren Bild durch Kirchen, Befestigungen (Delft, Haarlem, Amsterdam), repräsentative Stadttore (Gent, Brügge) und Zunftbauten geprägt wurde: Tuchhallen des 13. und 14. Jahrhunderts in Ypern, Brügge und Löwen. Besonders die spätgotischen Rathäuser repräsentieren ein mächtiges, selbstbewusstes Bürgertum: u. a. Brügge (1376 ff.), Brüssel (1402-50), Löwen (1447-68), Gouda (1450-52). Eine Blütezeit der Kunst erlebte Flandern unter burgundischer Herrschaft (1384/85-1477).
 
Die Plastik ist, obwohl infolge der Bilderstürme wenig erhalten blieb, vorzüglich vertreten durch den wichtigsten Bildhauer jener Zeit, C. Sluter, der im Dienst Herzog Philipps des Kühnen von Burgund monumentale Bildwerke für die Chartreuse de Champmol bei Dijon (1389 ff.) schuf. Auch die Malerei wurde gefördert durch zahlreiche Aufträge der burgundischen Herzöge. Es entstand - zunächst in der Buchmalerei - ein neuer Stil, gespeist aus südniederländisch-burgundischen Quellen, bereichert durch Wirklichkeitsgehalte der italienischen, v. a. sienesischen Kunst, der sich in der Liniensprache des weichen Stils artikulierte. Die bedeutendsten Künstler der niederländisch-burgundischen Schule sind A. Beauneveu, M. Broederlam, J. de Hesdin, deren Werke den neuen »realistischen« Erzählstil aufweisen, der dann bei den Brüdern von Limburg in einer wirklichkeitsnahen, doch poetisch verklärten Bildwelt erscheint. In ihrer Erzählfreude wurde diese Schule Ausgang für die spätere niederländische Landschafts- und Genremalerei. Im Rahmen der sakral bestimmten altniederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts wird die Vielfalt der Erscheinungswelt im Reichtum ihrer stofflichen, farbigen und räumlichen Differenzierung durchaus schon erfasst. Dabei entfaltete sich in den südlichen wie in den nördlichen Niederlanden deutlich eine künstlerische Eigensprache. Ab etwa 1600 bildete sich (entsprechend der religiösen und politischen Trennung nach 1581) eine niederländische und eine flämische Schule, zwischen denen eine bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fortdauernde Wechselwirkung bestand. In den südlichen Niederlanden begann mit den Brüdern H. und J. van Eyck (Genter Altar) und R. Campin (Mérode-Altar, um 1425; New York, Metropolitan Museum) die Geschichte des Tafelbildes sowie des Porträts (Jan van Eyck) mit einem neuen Wirklichkeitssinn, wobei jedoch Jenseits- und Sakralbezüge noch immer mitschwingen. R. van der Weyden, stärker gebunden an die expressive Ausdrucksbewegung spätgotischer Linearität, gelangte als Erster zur farbigen Bildeinheit. Justus van Gent, am herzoglichen Hof in Urbino tätig, verband niederländische Ikonographie mit italienischer Monumentalität zu einem Stil würdevoller Anmut. H. van der Goes übertrug den Realismus selbst auf Irreales. H. Memling, Strukturen und Motive des 15. Jahrhunderts aufnehmend, verband diese zu einer kühlen Harmonie. - Die eigentliche niederländische Schule setzte ein mit A. van Ouwater und D. Bouts. Ihr Versuch, das Unsichtbare im Sichtbaren darzustellen, wird von Geertgen tot Sint Jans visionär gesteigert. Ende des 15. Jahrhunderts wurden die beiden extremen Tendenzen niederländischer Wirklichkeitserfahrung und -verwandlung noch einmal deutlich: in der rätselhaften Verfremdung zu höllengleichen Traum- und Spukgeschichten durch H. Bosch und in der behaglich-idyllischen Darstellungsweise von G. David.
 
 
Im 16. Jahrhundert überströmten fremde Einflüsse die heimische Überlieferung und führten zu manieristischen Stilmischungen.
 
 
Die Kirchen, oft noch auf herkömmlichem Grundriss errichtet, weisen reichen Ornamentalschmuck auf: u. a. Saint-Jacques (1513-38) und Saint-Martin (1506 ff.) in Lüttich; schlichter ist Sint-Paulus in Antwerpen (1533-1639). Aufgaben der Profanarchitektur sind Rathaus und Patrizierhaus: u. a. Sitz der Statthalterin (heute Justizpalast) in Mecheln (1507 ff.), Rathaus in Gent (1482 und 1518 ff.). Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Antwerpener Baumeister C. Floris tonangebend durch den nach ihm benannten Florisstil, der europäische Geltung erlangte. Das von ihm erbaute Rathaus (1561-65) in Antwerpen - z. B. in Sockel- und Gesimsgliederung italienischer, in der Dekoration aus figürlichen und pflanzlichen Ornamenten, Beschlag- und Rollwerk niederländischer Herkunft - wurde als Musterbau der südniederländischen Renaissance Vorbild für die Rathäuser in Den Haag (1564/65), Bremen und Emden. In den nördlichen Niederlanden entstanden infolge der Reformation nur wenige Kirchen. Nach Ausrufung der Republik (1588) traten die Architekten L. de Key (Rathaus in Leiden, 1593/94; Fleischhalle in Haarlem, 1602-03) und H. de Keyser (in Amsterdam u. a. die Zuiderkerk, 1603 ff., und die Westerkerk, 1620 ff.) hervor.
 
Die Plastik, anfangs noch stark von spätgotischen Formen bestimmt, war erst nach der Jahrhundertmitte italienischen Formen aufgeschlossen (Jacques Dubrœucq, * 1500/1510, ✝ 1584); ihre Meister arbeiteten häufig im Ausland: Giambologna aus Douai in Italien, H. Gerhard und A. de Vries in Deutschland C. Floris schuf bedeutende Grabmäler in den Domen von Schleswig (1551-55) und Roskilde (1568-75), H. de Keyser und sein Sohn Pieter gestalteten das Grabmal Wilhelms I. von Oranien in der Nieuwe Kerk in Delft (1614-22).
 
 
Der von Antwerpen ausgehende Manierismus orientierte sich an italienischen und deutschen Vorbildern. Vieles wurde durch die Grafik (Stiche von M. Raimondi nach Raffael) und durch Skizzenbücher (M. van Heemskerck) vermittelt. Bei der Aneignung und Übertragung italienischer Formen und Motive kam es oft zur ornamentalen Verflechtung der Bildfläche oder zu pathetischen Übertreibungen von Figuren und Bewegung. In dieser Tendenz sind sich die führenden Romanisten verwandt, wenn auch unterschiedlich in der Artikulation (J. Gossaert, genannt Mabuse, J. van Scorel, Q. Massys, B. van Orley, M. van Coxcie, P. Coecke van Aelst, F. Floris, M. de Vos). - Die nordniederländischen Manieristen (B. C. Engebrechtsz., J. Cornelisz.) verarbeiteten nur zögernd die neuen Errungenschaften. Lucas van Leyden, eigenständiger Romanist, schuf ein bedeutendes Kupferstichwerk. Die Malerei begann sich zu spezialisieren in Porträtmalerei (A. Mor, P. J. Pourbus), Genremalerei (J. S. van Hemessen, P. Aertsen) und Landschaftsmalerei (J. Patinir, G. van Coninxloo, P. Bril). Sie alle überragt der dem Romanismus abgeneigte P. Bruegel der Ältere; seine Landschaften sind tragisch und lyrisch zugleich, seine Gesellschaftsstücke Schicksalsparabeln. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts gab sich der Romanismus gelehrt und höfisch gestimmt. An europäischen Fürstenhöfen arbeiteten P. Candid (München) und F. Sustris (München, Prag) sowie B. Spranger (Prag). In Haarlem gründete H. Goltzius mit C. van Mander und C. Cornelisz. 1583 eine Akademie. Die Teppichwirkerei, schon im 15. Jahrhundert in Flandern und Brabant (besonders in Tournai) zur ersten Blüte gelangt, wurde im 16. Jahrhundert in ganz Europa führend. Kartons entwarfen Maler wie Orley, Coecke van Aelst u. a. In der 2. Jahrhunderthälfte wurden ornamentale Motive aufgenommen, später auch Architekturmotive. Um 1620-30 entstand durch die Kartons von P. P. Rubens ein großfiguriger, pathetischer flämischer Stil, der von J. Jordaens weiter gefördert wurde.
 
 
 
Der Barock setzte im katholischen Süden mit dem Architekten Wenzel Cobergher (* 1561, ✝ 1634) ein (Augustinerkirche in Antwerpen, 1615-18). Peter Huyssens (* 1577, ✝ 1637), Ordensbaumeister der Jesuiten, erbaute Kirchen in Antwerpen (1615-21), Brügge (1619-41) und Namur (1621-45), Willem Hesius (* 1601, ✝ 1690), ebenfalls Ordensbaumeister der Jesuiten, die Sint-Michielskerk (1650-71) in Löwen. Rubens nahm mit seinen Stichfolgen der »Palazzi di Genova« (1622 und 1635 ff.) Einfluss auf flämische und europäische Fassaden und Patrizierhäuser. - Die Predigtkirchen des reformierten N - wie auch städtische und Bürgerbauten - sind von einem nüchternen Klassizismus bestimmt (H. de Keyser), der fortan die Entwicklung der niederländischen Architektur prägte. Herausragende Architekten waren in der Folgezeit die von A. Palladio beeinflussten J. van Campen (Mauritshuis in Den Haag, 1633 ff.; Nieuwe Kerk in Haarlem, 1645-49; Rathaus in Amsterdam, 1648 ff.) und P. Post, der das Mauritshuis vollendete und das königliche Lustschloss »Huis ten Bosch« (1645 ff.) in Den Haag und das Rathaus (1659-64) in Maastricht erbaute.
 
 
Führend waren die flämischen Bildhauer, die unter dem Einfluss von Rubens und G. L. Bernini standen: F. Duquesnoy, L. Faydherbe, Haupt der Mechelner Schule, A. Quellinus der Ältere, der ab 1650 mit R. Verhulst am Amsterdamer Rathaus tätig war. Verhulst schuf zahlreiche Marmorskulpturen.
 
 
Wirklichkeitssinn und Freude an der Welt, Wohlhabenheit und Besitzerstolz kennzeichnen die niederländische Malerei des »goldenen Zeitalters«. Ein wichtiger Impuls ging von Caravaggio aus, dessen Anregungen (Halbfigurenbilder, verdeckte Lichtquelle, pathetische Bewegungen) die Flamen T. Rombouts, J. Jordaens u. a. wie auch die Niederländer P. Lastman, A. Bloemaert, H. Terbrugghen und G. H. van Honthorst (Utrechter Schule) folgten. Rubens, Hauptvertreter des flämischen Barock, beherrschte alle Bildgattungen. Er belebte die Bildfläche durch einen rhythmischen Bewegungsstrom und ein von Tizian inspiriertes Kolorit. Sein bedeutendster Schüler war A. van Dyck mit vornehmen, kühl-distanzierten Bildnissen. Jordaens, der Gesellschaftsstücke, Bilder mit religiösen und mythologischen Themen sowie Porträts schuf, arbeitete wiederholt mit Rubens zusammen. Die bäuerlichen Genrebilder von A. Brouwer und die Gesellschaftsstücke von D. Teniers gehören zur flämischen Schule, sind aber stark abhängig von der Entwicklung in den Niederlanden: Im Laufe des 16. Jahrhunderts hatten sich bestimmte Themen verselbstständigt, die sich im 17. Jahrhundert zu eigenständigen Bildgattungen ausbildeten. Die niederländischen Maler gaben die sakralen, allegorischen, historischen Inhalte auf, die jedoch bei aller »Verweltlichung« als Bildinhalte emblematisch verschlüsselt wirksam blieben. Im Stillleben werden die eucharistischen Zeichen Brot, Wein, Fisch auf Silbergeschirr dargeboten (P. Claesz, W. Kalf, W. C. Heda), dann verdeckt in überreichen Frühstücks-, Frucht- und Jagdstücken. In Blumenstillleben tauchen Vanitassymbole wie Totenschädel, Insektenfraß auf (J. D. de Heem). Küchen- und Marktstücke enthalten allegorische Verweise auf den Gegensatz von beschaulichem und tätigem Leben. Die Gesellschaftsstücke sind satirisch-moralisierend bei J. Steen, anekdotenhaft bei N. Maes und G. Metsu, stilllebenhaft bei G. Terborch und P. de Hooch, gleichnishaft bei J. Vermeer. Die wichtigsten Vertreter der Architekturmalerei sind P. Saenredam und E. de Witte. Die Landschaftsmalerei erfuhr eine ungeahnte Differenzierung in Thematik und Stimmung (u. a. S. van Ruysdael, E. van de Velde, A. Cuyp, A. van der Neer). Mit den einsamen Flachlandschaften von H. Seghers und den realistisch-fantastischen von J. van Ruisdael erreichte die Gattung ihren Höhepunkt. In der Marinemalerei (See- und Küstenstücke von J. Porcellis, J. van de Cappelle, W. van de Velde der Ältere und der Jüngere) waren die Spiegelung von Himmel und Wasser wie Ausfahrt und Heimkehr malerisches und symbolisches Motiv zugleich, v. a. bei J. van Goyen. Unübersehbar ist die Zahl der Porträtmaler; repräsentativ sind M. J. van Mierevelt, sein Schüler P. J. Moreelse, die Amsterdamer T. de Keyser und B. van der Helst mit Einzel- und Gruppenbildnissen (Schützen- und Regentenstücke sowie Anatomien). Der bedeutendste Vertreter der Porträtmalerei ist F. Hals. F. Snijders und sein Schüler J. Fyt traten mit Tierbildern hervor. Rembrandt, der Niederländer, gleich bedeutend als Maler, Zeichner und Radierer, verband alle Bildgattungen zu einem Bilderkosmos mystischer Erlebnistiefe. Er übertrug die Heilsgeschichten in die Sphäre niederländischer Bürgerlichkeit und rückte sie zugleich in einen Jenseitsbezug. Die Bildnisse erfassen zutiefst den Dargestellten und seine Lebensgeschichte. Seine Landschaften sind zugleich Ereignisbilder der Seele. Zu seinen Schülern gehörte neben J. Lievens, G. Flinck, F. Bol, C. Fabritius und A. de Gelder auch G. Dou, der Hauptmeister der Leidener Feinmaler.
 
 18. und 19. Jahrhundert
 
Im 18. Jahrhundert wurde ein akademischer Klassizismus bestimmend, in der Baukunst v. a. vertreten durch den Pariser Architekten D. Marot dem Älteren, in der Malerei durch den Feinmaler A. van der Werff, der bedeutendste Nachfolger Dous neben F. van Mieris. Die Architektur des 19. Jahrhunderts ist in Holland wie in Belgien vom Historismus geprägt (P. Cuypers). Die Maler zur Zeit der Romantik suchten an das »goldene Zeitalter« anzuknüpfen (A. Schelfhout, B. C. Koekkoek). Neue Impulse gingen von der Haager Schule aus, die zum Impressionismus überleitete (J. B. Jongkind, G. H. Breitner). V. van Gogh verband niederländische Tradition mit neuen künstlerischen Strömungen in Frankreich und wurde zu einem Bahnbrecher des Expressionismus. Hauptmeister des Jugendstils in seiner spezifisch niederländischen Ausprägung des Symbolismus sind J. Thorn-Prikker und J. Toorop. Im Kunstgewerbe übernahm der niederländische Jugendstil Anregungen aus Indonesien (Batik).
 
 20. Jahrhundert
 
Mit kubisch-nüchternen Bauten (Börse in Amsterdam, 1897-1903; Gemeindemuseum in Den Haag, 1927-35) wurde H. P. Berlage richtungweisend für die moderne Architektur in den Niederlanden. Die expressionistische »Amsterdamer Schule« bemühte sich um eine skulpturelle Baukörpergestaltung (Schifffahrtshaus in Amsterdam von M. de Klerk, 1911-16). Die 1917 gegründete Stijl-Gruppe erneuerte die Ästhetik der Außen- und Innengestaltung in konstruktivistischen Formen. Zu ihr gehörten u. a. die Architekten T. van Doesburg, G. T. Rietveld, J. J. P. Oud, J. Duiker und C. van Eesteren, die ihre Ideen meist erst in den 20er-Jahren verwirklichen konnten. Die von J. A. Brinkman, L. C. van der Vlugt und M. Stam entworfene Fabriek Van Nelle (1926-30) in Rotterdam gilt als einer der bedeutendsten Industriebauten dieser Zeit. Vorbildlichen Charakter hatte auch das von W. M. Dudok errichtete Rathaus in Hilversum (1928-31). Zu führenden niederländischen Architekten nach 1945 wurden J. H. van den Broek und J. B. Bakema (Ladenzentrum »Lijnbaan« in Rotterdam, 1949-53), A. E. van Eyck (Waisenhaus in Amsterdam, 1955-61), H. Hertzberger (Centraal Beheer in Apeldoorn, 1968-72), R. Koolhaas (Niederländisches Tanztheater in Den Haag, 1984-88) und Jo Coenen (Architekturinstitut in Rotterdam, 1993). Im Wohnungsbau machten mit hervorragenden Leistungen u. a. das Baubüro »Mecanoo«, Art Zaaijer, Claus en Kaan, Kees Christiaanse und Liesbeth van der Pol auf sich aufmerksam. Für ein Bauen, das sich den Strukturen eines vorhandenen urbanen Umfelds einfügt, stehen Bauwerke wie der von den Architekten Jan Benthem und Mels Crouwel projektierte Anbau des Anne-Frank-Museums in Amsterdam (1987), ebenso das Theaterzentrum in Breda (1995) von Hertzberger und die Zentrale der Nederlandse Middenstandsbank (NMB) in Amsterdam (1979-86) von Anton Carel Alberts. Neben Koolhaas (Kunsthalle in Rotterdam, 1987-92) und seinem Büro »OMA« (Abkürzung für Office for Metropolitan Architecture) setzen Architekten wie Wiel Arets (Kunstakademie, Maastricht, 1989-93), Bert Dirrix und Rein van Wylick (Bürohaus, Eindhoven, 1988-90), Frits van Dongen (Theater, Leeuwarden, 1990-93) und »Mecanoo« (Restaurant »Boompjes Pavillon«, Rotterdam, 1990; Sekundarschule in Silvolde [Gemeinde Wisch, Provinz Gelderland], 1990-95) die Tradition der klaren konstruktiven Bauform fort. Experimenteller Stilpluralismus manifestiert sich in dem von Ashok Bhalotra konzipierten Neubaugebiet Kattenbroek in Amersfoort (1990 ff.). Das neue Kunstmuseum in Groningen entstand als Gemeinschaftswerk international führender Architekten und Designer als dekonstruktivistischen Bau 1992-94. Dekonstruktivistische Elemente verwendet auch Sjoerd Soeters (Umbau des Verkehrsministeriums, Den Haag, 1990). Als Backsteinbau von klassischer Strenge konzipierte A. Rossi das Bonnefantenmuseum (1993-95) in Maastricht.
 
Auf dem Gebiet der Plastik wurde der belgische Bildhauer G. Vantongerloo, Mitglied der Stijl-Gruppe, mit seinen stereometrischen Skulpturen richtungweisend für die konstruktivistischen Arbeiten der jüngeren Generation: C. N. Visser, André Volten (* 1925), A. Dekker u. a. Die Stijl-Gruppe entwickelte eine auf reiner Farbe und radikal vereinfachten geometrischen Formen beruhende Malerei, deren wichtigster Vertreter und Theoretiker neben van Doesburg und B. A. van der Leck P. Mondrian war. Als Gegenreaktion auf den Konstruktivismus kamen ab Ende der 20er-Jahre surrealistische (Pieter Ouborg, * 1893, ✝ 1953) und realistische Tendenzen (Charley Toorop, * 1891, ✝ 1955; Carel Willink, * 1900, ✝ 1983; Raoul Hynckes, * 1893, ✝ 1973; Pyke Koch, * 1901) auf. Der in Paris lebende B. van Velde übte großen Einfluss auf die amerikanischen Maler des abstrakten Expressionismus aus. Den bedeutendsten Beitrag der Niederlande zur Nachkriegskunst leisteten die Mitglieder der 1948 gegründeten Gruppe Cobra. Auf dem Gebiet der Grafik traten v. a. C. M. Escher und A. Heyboer hervor. Die konstruktivistische Linie im Sinne der Stijl-Bewegung setzte in der Malerei u. a. P. Struycken fort. J. Schoonhoven gründete 1961 mit Armando (* 1929) und H. Peeters die Gruppe »Nul«, die der deutschen Gruppe Zero nahe stand. An ihren Aktivitäten beteiligte sich auch Herman de Vries (* 1931). Fortgeführt wird diese konstruktivistische Tendenz von Künstlern besonders um die Gruppe »Art Construct« (1981-92) und die Stiftung IDAC (ab 1992). Internationale Bedeutung haben v. a. Bob Bonies (* 1937), Willem Kloppers (* 1937) und André van Lier (* 1951) erlangt, die vornehmlich in den Gattungen Malerei und Plastik ihre Bildideen realisieren. Parallel zu diesen Künstlern arbeiten Marinus van Boezem (* 1934) und Jan van Munster (* 1939) mit den technischen Medien Fotografie und Kunstlicht. Siert Dallinga (* 1954), Ab van Hanegem (* 1960), Edwin Janssen (* 1961), Jan Starken (* 1956) und C. A. Wertheim (* 1962), R. Scholte und Hugo Kaagman (* 1955) beziehen sich in ihren Gemälden, Plastiken und Installationen ironisch-assoziativ auf kunstgeschichtliche Traditionen und aktualisieren verfremdend die historischen Vorbilder. Bekannt wurden auch Stanley Brouwn (* 1935) mit Fluxus, J. C. J. van der Heyden (* 1928) mit Computerkunst, Jan van Munster (* 1939) mit Lichtkunst und Pieter Engels (* 1938), der sich mit den verschiedensten Tendenzen zeitgenössischer Kunst auseinander setzt. Mit experimentellen Fotoarbeiten und Videos trat J. Dibbets hervor. Beiträge zur konzeptuellen Fotografie leisteten auch G. Dekkers und Ger van Elk (* 1941), der wie Dibbets 1968 Mitbegründer des »International Institute for the Re-Education of Artists« war. Auf dem Gebiet der experimentellen Fotografie arbeitet auch Toto Frima (* 1954).
 
 
M. J. Friedländer: Die altniederländ. Malerei, 14 Bde. (Leiden 1924-37);
 
Rhein u. Maas. Kunst u. Kultur 800-1400, hg. v. A. Legner, Ausst.-Kat., 2 Bde. (1972-73);
 A. L. J. van de Walle: Got. Kunst in Belgien (a. d. Frz., Wien 1972);
 
Die niederländ. Maler u. Zeichner des 17. Jh., hg. v. W. Bernt, 5 Bde. (2-51979-91);
 L. J. Bol: Holländ. Maler des 17. Jh.. Nahe den großen Meistern (21982);
 
Holländ. Malerei in neuem Licht. Hendrik ter Brugghen u. seine Zeitgenossen, bearb. v. A. Blanckert u. a., Ausst.-Kat. (1986);
 D. Thoss: Fläm. Buchmalerei (Graz 1987);
 
Dutch »Feinmalerei«, Ausst.-Kat. (Amsterdam 1989);
 H. Olbrich u. H. Möbius: Holländ. Malerei des 17. Jh. (Leipzig 1990);
 
Modernism without dogma. Architects of a younger generation in the Netherlands, Beitrr. v. H. Ibelings u. a., Ausst.-Kat. Venice Biennale, Venedig (Rotterdam 1991, Nachdr. ebd. 1993);
 
Grafische Formgebung in den Niederlanden, 20. Jh., bearb. v. K. Broos u. P. Hefting, Ausst.-Kat. De Beyerd, Breda (Basel 1993);
 
Nether Art. A Dutch response to the nineties, hg. v. I. Hardeman u. a., Ausst.-Kat. West-Indisch Huis u. a. (Amsterdam 1993);
 J. Rosenberg u. a.: Dutch art and architecture 1600-1800 (Neuausg. New Haven, Conn., 31993);
 H. Belting u. C. Kruse: Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jh. der niederländ. Malerei (1994);
 
Made in Holland. Design aus den Niederlanden, hg. v. G. Lueg, Ausst.-Kat. Museum für Angewandte Kunst, Köln (1994);
 O. Pächt: Altniederländ. Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David, hg. v. M. Rosenauer (1994);
 
Projekt 30 × 30, konkrete Kunst international, Ausst.-Kat. Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen am Rhein (1994);
 
Niederländ. Architektur des 20. Jh., hg. v. H. Ibelings (a. d. Niederländ., 1995);
 B. Haak: Das goldene Zeitalter der holländ. Malerei (Neuausg. 1996);
 
Zeitgenöss. Fotokunst aus den Niederlanden, hg. v. S. Schmalriede u. A. Tolnay, Ausst.-Kat. Neuer Berliner Kunstverein, Berlin (1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
gotische Bildhauerkunst nördlich der Alpen im 15. Jahrhundert
 
niederländische Malerei: Eine neue Kunst
 
Rembrandt und Vermeer: Das goldene Zeitalter der holländischen Malerei
 
Renaissance: Malerei nördlich der Alpen
 
Rubens und seine Schüler
 

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Niederländische Kunst — ist im wesentlichen die Kunst in den Landschaften, die das heutige Belgien und Holland umfassen, doch rechnet man in der ältern Zeit auch die Kunst im nördlichsten Frankreich mit den Stadten Lille, Valenciennes, Douai und Arras dazu. Sie hat zwei …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Niederländische Kunst — Niederländische Kunst. Es ist bekannt, daß die Niederländer in der Entwicklung der bildenden Künste einen hohen Rang einnehmen, vorzugsweise in der Malerei. Dieselbe hat zwar die Idealität der röm. Schule nie erreicht, zeichnet sich dagegen durch …   Herders Conversations-Lexikon

  • Niederländische Literatur — Niederländische Literatur, Die Nationalliteratur der Niederländer hat eine universalgeschichtliche Bedeutung nicht erreicht, sondern nur zuweilen einen vorübergehenden u. beschränkten Einfluß zunächst nur über die deutschen Grenzen hin… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Niederländische Schriftsteller — sind A Abdelkader Benali (* 1975) Abraham Jacob van der Aa (1792 1857) Joseph Alberdingk Thijm (1820 1889), Dichter und Novellist Jo(hanna) van Ammers Küller (* 1884) Gerrit Achterberg (1905 1962), Dichter Bertus Aafjes (1914 1993) Schriftsteller …   Deutsch Wikipedia

  • niederländische Malerei: Eine neue Kunst —   Es ist bis heute kaum begreiflich, wie in der niederländischen Malerei seit etwa 1425 mit den Werken von Jan van Eyck, Robert Campin oder Rogier van der Weyden scheinbar unvorbereitet künstlerische Leistungen auf den Plan treten konnten, die… …   Universal-Lexikon

  • Kunst trifft Kohl — ist eine seit dem Jahr 2005 jährlich von Juni bis September stattfindende Skulpturenausstellung in Münster (Westfalen). Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Herleitung des Namens Kunst trifft Kohl 3 Nachwirken …   Deutsch Wikipedia

  • Niederländische Literatur — nennt man die Literatur, die in niederländischer Sprache verfasst wurde. Auch die belgische Literatur zählt also teilweise zur niederländischen Literatur. Heinrich von Veldeke Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Niederländische Gemeinde Augsburger Confession — Die Niederländische Gemeinde Augsburger Confession (kurz: NGAC) besteht seit 1585. Sie wurde von lutherischen Glaubensflüchtingen aus den spanischen Niederlanden gegründet, die in Frankfurt am Main Aufnahme fanden und dort das Bürgerrecht… …   Deutsch Wikipedia

  • Niederländische Reise — Die Niederländische Reise Albrecht Dürers im Jahr 1520 bis 1521 resultiert aus wirtschaftlichen Gründen. Dürers jährliche Zahlung von 100 Gulden auf Lebenszeit als Hofkünstler Kaiser Maximilians I. war nach dem Tod seines Gönners vom verwaltenden …   Deutsch Wikipedia

  • Naturalismus (Bildende Kunst) — Der Naturalismus in der Kunst ist eine Strömung von ca. 1850 bis 1900, ist aber als Epochenbegriff in der Bildenden Kunst weniger scharf als in der Literatur. Neben dem Naturalismus als Epochenbegriff, als Entsprechung zum Naturalismus in der… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”